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Wintertour in der Hardangervidda 2022

11.02.2022 Anreise nach Norwegen

Am Donnerstag fuhr ich nach Kiel wo ich meinen Freund den Wintertourer Marc traf. Mit der Fähre ging es nach Göteborg. Der Sonnenaufgang auf der Ostsee war einfach atemberaubend schön. Die Kontrolle in Göteborg beschränkte sich auf die Ausweiskontrolle und die Frage zum meinem Reiseziel und Grund für die Reise. In Norwegen fanden keine Kontrollen statt und es gab auch keine Aufforderung für einen Schnelltest an der Grenze. So erreichten wir gegen 17:00 Uhr der Wintersportort Geilo. Das Hotel war noch recht leer als wir unsere Zimmer bezogen. Durch ein großes Panoramafenster gab es eine tolle Aussicht auf die Skipiste gegenüber, Der Sonnenuntergang ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Wir packten noch unsere Pulken und parkten die Autos in der Tiefgarage. Für ein kurzes Abendessen, wenn man den Burger dann so nennen möchte, trafen wir uns noch im Restaurant.

 

 

12.02.2022 Bahnfahrt von Geilo nach Finse und erster Track

Am Morgen ließen wir uns beim Frühstück Zeit, denn der Zug fuhr erst um 11:56 nach Finse ab. Gemütlich zogen wir die Pulken ins Centrum besuchten dort noch die Sportgeschäfte. Hier kaufte ich noch größere Karabiner Haken für meine Pulka. Die originalen Haken sind klein und fummelig, besonders wenn sie mit Handschuhen bedient werden müssen.

Die Bahnfahrt war kurz (12:40 Uhr) und aus den Zugfenstern sahen wir die Winterlandschaft des Nationparks Hardangervidda. In Finse schneite und stürmte es, die Sicht war eingeschränkt. Hier schaute Marc noch einmal in das Hotel 1220, dann gab es noch ein Foto bevor wir unsere Ski und Pulken in Bewegung setzten.

 

Die ersten Meter zogen wir über den See Finsevatnet, Hier war ein Teil des Weges noch mit Zweigen markiert. Bedingt durch die schlechte Sicht navigierten wir nur per GPS, Landmarken war schwer bzw., nicht zu sehen. Nach ca. 7 Kilometern und ich einer Höhe von 1.320 Metern beschlossen wir dann unsere Zelte aufzuschlagen. Der Sturm legte noch deutlich zu so beschlossen wir die Zelte gemeinsam aufzustellen. Mein Zelt war zuerst an der Reihe, durch einen Moment der Unachtsamkeit erfasste der Sturm meine Schaum-Isomatte. Marc eilte per Ski noch hinterher, aber der Sturm gewann den Wettlauf. Der Verlust war zwar bedauerlich, aber kein Grund für den Abbruch der Tour, denn ich hatte noch meine Downmatt im Gepäck. Vorsichtig agierte ich weiter, es wurde langsam dunkel und wir setzten unsere Stirnlampen auf. Als mein Zelt stand bauten wir das Zelt von Marc auf. Eine Weile nahm noch das Abspannen der Zelte in Anspruch, denn wir wollten ja keine weiteren Verluste erzielen. Als wir unsere Zelte eingerichtet hatten kamen die Kocher zum Einsatz, das Schneeschmelzen dauerte noch eine Weile bevor wir unser Abendessen einnehmen konnten. Der Sturm tobte noch bis in die frühen Morgenstunden.

 

13.02.2022 Zweiter Track in der Hardangervidda

Am Morgen waren die Zelte ordentlich eingeschneit. Für den morgendlichen Kaffee warf ich meinen Benzinkocher an, Schnee war zum Schmelzen ja genug gefallen. Gegen 10:00 Uhr hatten wir unsere Sachen wieder in den Pulken verstaut. Der Wind hatte sich gelegt die Sonne sahen wir nur selten an diesem Tag. Nach ungefähr einem Kilometer überquerten wir den See Brattevonnvann, Die Seen sind hier im Winter tief gefroren, teilweise bis zu einem Meter. Das sind dann die besten Winterwege für individuelle Wintertracks. Als wir unterwegs waren gab es noch keine markierten Winterwege und auch die bewirtschafteten Touristhütten waren noch nicht geöffnet. So glitten wir durch eine frisch verschneite Landschaft in der zuvor noch kein Mensch unterwegs war. (bezogen auf das Jahr 2022)  Bei der schlechten Sicht navigierten wir teilweise nach GPS und folgten dabei dem Winterweg Finse- Krækkja. Nur wenige Metern nach dem Abzweig zur Kjeldebu-Hütte bauten wir unsere Zelte auf.

 

 

 

 

 

14.02.2022 dritter Track in der Hardangervidda

Es hatte in der Nacht wieder ordentlich geschneit. Wir mussten die Zelte erst frei schaufeln bevor wir unsere Sachen verpacken konnten. Die Sonne bekamen wir nicht zu sehen. Dafür glitten wir über einige Seen bis wir nach ungefähr 6 Kilometern an der geschlossenen Krækkja-Hütte ankamen. Dort machten wir eine kleine Mittagspause. Nur der Weg zu dem Gebäudekomplex war durch eine meterhohe Schneewehe schwer zugänglich. Nach einer kleinen Stärkung marschierten wir weiter. Das Wetter wurde schlechter und für den Abend gab es eine Sturmwarnung. Wir wollten unsere Zelte noch vor dem Sturm errichten und bauten schon recht früh am Nachmittag, im Windschatten der Fagerheim Fjellstugu, die Zelte auf. Marc und ich saßen vor dem Abendessen noch in seinem Zelt beisammen. Dafür war das Hilleberg GT  bestens geeignet, denn es besitzt eine große Apsis. In meinem Polaris hätte ich keinen Besuch empfangen können, das Platzangebot war schon zum Kochen eine Herausforderung. Denn zum Anheizen des Benzinkochers muss die Brennglocke vorgeglüht werden, dabei beginnt der Prozess mit einer Stichflamme. Um kein Loch in mein Zelt zu brennen schirmte ich das Zelt mit einem Topfdeckel ab. Das war immer auch ein Risiko…Nur mit mir stimme etwas nicht. Ich konnte so gut wie kein Essen zu mir nehmen. Nach wenigen Happen wurde mir schlecht und es ging nichts mehr. Dazu bekam ich leichte Halsschmerzen die ich mit Aspirin Komplex unterdrückte, vermutlich hatte ich mir doch einen Infekt zugezogen.

 

15.02.2022 vierter Track in der Hardangervidda

Der Sturm hatte unsere Zelte in der Nacht nicht beschädigt. Für den weiteren Track mussten wir zunächst die Straße Nr. 7  überqueren. Das bedeutete die Schneeberge links und rechts der Fahrbahn zu überwinden. Das klappe recht gut und los ging es. Der Sturm hatte die Wolken wohl vertrieben und so ließ sich oft die Sonne blicken. Ich genoss diese herrliche Winterlandschaft in vollen Zügen. An diesem Tag spurte ich auch einmal vor, das hatte sonst freundlicher Weise Marc übernommen. Der im Übrigen ein sehr umsichtiger Tourpartner war und mich hier und da sehr unterstützte. Nachdem wir viele Fotos bei herrlichem Wetter machten näherten wir uns langsam unserem nächsten Übernachtungsplatz. Am See Øvre Hein, direkt hinter einer unbewohnten Hütte bauten wir unser Nachtlager auf. Bei einem malerischen Sonnenuntergang machten wir noch ein kleines Fotoshooting bevor wir in unsere Schlafsäcke krochen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

16.02.2022 fünfter Track in der Hardangervidda

Am Morgen sahen wir die Sonne nicht mehr. Es war trübes Wetter. Wir folgten dem Wasserlauf Hein(elva) der zur Heinseter Turisthytte führte. Hier wurde es bergiger und die Wasserläufe mit hohen Fließgeschwindigkeiten waren offen. Die Überquerung war nur über eine Brücke möglich. Das Erreichen der Brücke war recht sportlich, denn es galt auch hier Schneewehen zu überwinden bevor wir auf die Brücke gelangten. Am anderen Ende der Brücke gingen wir dann wieder reichlich Höhenmeter und hatten noch schöne Ausblicke auf die tief verschneite Hütte im Tal. Die Sonne schaute jetzt auch einmal durch die Wolkendecke. An diesem Tag wollten wir bis zur Tuva Turisthytte gehen. Irgendwie hatten uns an diesem Tag die Navigationsgeräte einen Streich gespielt, wir landeten ungefähr einen Kilometer südlicher, als auf dem gedachten Winterweg. Eine Hütte auf der anderen Seite des Sees hatten wir ausgemacht, aber die war es leider nicht. Wir beschossen hier die Zelte aufzubauen und morgen den Weg fortzusetzen.

 

 

 

 

 

 

17.02.2022 sechster Track in der Hardangervidda

Nach einer wenig erholsamen Nacht und mit meinem desolaten Gesundheitszustand packte ich meine Sachen in die Pulka. Als ich mir das Zuggeschirr anlegte und starten wollte konnte ich meine Pulka nur unter großer Anstrengung bewegen. Es fühlte sich an, als hätte mir ein Troll riesige Felsbrocken in den Lastschlitten gelegt. Zunächst dachte ich, ich hätte die Sachen falsch beladen. Hielt an und öffnete den Schlitten um die Sachen umzupacken. Packte die etwas leichteren Gegenstände nach vorne. Aber es änderte sich nichts. Mit aller Kraft stemmte ich mich in das Zuggeschirr und los ging es. Dieser Tag lief nicht so glatt, wir hatten unsere Navigationssysteme zwar dabei, wollten aber keine Umwege laufen. Mein GPS zeigte mal etwas an und dann wieder nicht, wie ich später herausfand hatte sich die Mikro SD-Card im Karten Slot gelöst. Wegen der wenigen Landmarken konnten wir nur die Erhebungen der umliegenden Berge zur Orientierung nutzen. Dafür stiegen wir zu einem Berg auf, dachten wir könnten von dort etwas besser navigieren. Tatsächlich gelang es Marc dann einen verlässlichen Weg zu finden. Zu unserer Erleichterung sahen wir dann in einiger Entfernung die Tuva Turisthytte. Wir fuhren einige Höhenmeter hinab bis zu einem Wegweiser. Hier mussten wir uns die Frage beantworten welchen Weg wir in Richtung Ustevatn nehmen. Und schon ging es wieder einen Hang hinauf. An dessen Ende eine lange Abfahrt zum See folgte. Im Uferbereich stellten wir unsere Zelte auf. Leider war zu wenig Schnee zur Befestigung vorhanden. Deshalb nutzten wir alle möglichen Anker um das Zelt sicher abzuspannen. Dabei dauerte es natürlich länger als gewöhnlich. Als ich dann im Zelt meinen Kocher anheizte und Schnee zu schmelzen begann, da kam das böse Erwachen. Meine Finger spürte ich schon länger nicht mehr, aber als ich die Handschuhe auszog war ich schockiert. An beiden Händen hatten sich einige Fingerkuppen blau gefärbt. Langsam taute ich die Fingerkuppen auf und hoffte auf Besserung. Als ich Marc davon berichtete nahm er mir etwas die Angst, er hatte das auf Grönland auch erlebt. Nach seinen Worten, den ich Glauben schenkte, wäre das am nächsten Morgen wieder okay. So konnte ich wenigsten die Nacht noch relativ unbesorgt verbringen und fand auch noch beruhigenden Schlaf.

 

 

18.02.2022 siebter Track in der Hardangervidda

Am Morgen sah ich jedoch keine Veränderung an meinen Fingern. Beruhigt hat mich nur die Nähe zur Stad Ustaoset, die sahen wir schon am anderen Ende des Sees Ustevatn, Unser Plan ging auf und wir konnten gegen Mittag mit dem Zug zurück in unser Hotel fahren. Dort angekommen trockneten wir noch unsere Ausrüstung auf der Terrasse und genossen die herrliche Aussicht. Am Abend aßen wir dann im Restaurant noch etwas und sprachen über Gott und die Welt. Marc ist nicht nur ein toller Wintertourer, sondern auch ein sehr gebildeter Gesprächspartner.

 

 

19.02.2022 Abreise und Heimfahrt

Eher zufällig und nicht abgesprochen trafen wir uns zum Frühstück noch einmal, bevor ich die Heimreise antrat. Meine Fähre ab Göteborg wollte ich ja auf keinen Fall verpassen. Am 20.02.2022 traf ich dann gegen Mittag wieder in meiner Heimatstadt ein.

 

Hier kontaktierte ich noch meinen Hausarzt und einen Handchirurgen. Beide Ärzte kamen anhand der Bilder, die ich ihnen per e-mail sendete zur selben Diagnose. Persönlich aufsuchen konnte ich sie nicht, denn mein Corona Test war positiv. Es wird eine Weile dauern und wenn die Fingerkuppen keine schwere Nekrose (Absterben einzelner Zellen in einem lebenden Organismus) bekommen, dann heilen sie wieder. Es würde aber immer eine hohe Kälteempfindlichkeit zurückbleiben.

 

Das sah dann teilweise schon recht ekelig aus und die Fingernägel waren auch betroffen. Ein Nagel löste sich komplett ab, wuchs aber wieder nach. Viel Zeit ist inzwischen vergangen. Den Fingern sieht man es nicht mehr an, aber der gestörte Tastsinn und die Kälteempfindlichkeit sind geblieben.

Zusammenfassend kann ich nur sagen es waren unglückliche Umstände die zu diesen Erfrierungen führten. Denn in der Hardangervidda hatte ich schon tiefere Temperaturen unbeschadet überstanden.