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Wintertour in der Hardangervidda 2020

Nach der unglücklichen Wintertour 2019 wollte ich keine geführte Wintertour mehr buchen. Die Endtäuschung über den Verlauf bei Arctic Mountain lag wie ein Schatten über mir. Also fanden sich Stefan und ich zusammen, unsere Planungen begannen sehr früh und waren ausgesprochen gründlich. Das ging bis zur ausgefeilten Anreise-, Ausrüstungs- und Notfallplanung. In meinem Reisebericht könnt Ihr erfahren wie die Tour gelaufen ist.

 

07.02. und 08.02.2020 Wintertour 2020

Der Start der Wintertour und die Anreise erfolgten per Fähre von Kiel nach Göteborg. In Kiel sehr milde Temperaturen, um die 5 Grad, kein Vergleich zum Start im Jahr 2018. Traf hier noch eine Familie mit grönländischen Huskies die zum Training nach Schweden fuhren. Das waren sehr beeindruckende Tiere.

 

Leider war die Abfertigung im Fährhafen sehr zeitraubend. Jedes Auto wurde kontrolliert und der Fahrer einem Alkoholtest unterzogen. So etwas hatte ich hier noch nie erlebt… Bei teilweise regnerischem Wetter fuhr ich durch Schweden nach Norwegen und traf hier am Rand der Hardangervidda ein. Ein schöner Wintersportort mit  Abfahrtspisten die hier sogar beleuchtet werden. Vom Hotelzimmer gab es einen schönen Blick auf die gegenüber liegenden Berge.

 

Am nächsten Morgen begann dann die Tour mit einer Bahnfahrt nach Finse. Hoffte auf eine Sturmflaute für unseren Tourstart.

 

09.02.2020 Finse

Abfahrt mit dem Zug von Geilo nach Finse.

 

An diesem Tag siegte die Vernunft.
Als wir in Finse eintrafen wurden wir von starkem Schneefall und orkanartigem Sturm empfangen. Nach einigen Metern wurde uns die Gefahr bewusst, die von diesem Wetter ausging und drehten um. Hinzu kam die schlechte Sicht die mit Whiteout bezeichnet wird. Wir begaben uns in Sicherheit und warteten auf Wetterbesserung.

 

 

 

10.02.2020 Abwettern im Tal

Wir mieteten uns ein Zimmer und wollen hier das Wetterchaos abwarten. Es gab leider noch weitere schlechte Nachrichten. Mein Tourpartner Stefan war erkrankt und konnte die Tour nicht gehen. Er trat am nächsten Morgen die Heimreise an. Das war sehr bedauerlich, aber die Gesundheit ging vor. Für mich gab es heute eine Wanderung auf den Berg gegenüber und am Nachmittag lief ich dann 10 Kilometer in der Loipe, testete meine neuen BC-Ski. Danach war ich platt und glücklich über die gelaufene Runde. Hatte dabei auch genug Zeit über den weiteren Verlauf der Tour nachzudenken. Plante morgen einen Solo-Rundkurs in der Hardangervidda und wenn alles gut ging, dann wollte ich am Freitag wieder am Startort eintreffen.

 

11.02.2020 Start meiner Solo-Tour in die Hardangervidda

10 Kilometer, Anstieg gesamt 215 m

Stieg gegen 10:30 Uhr in die weiße Winterlandschaft ein. Herrlich endlich ging es los in diese raue Wildnis. Auf den ersten Kilometern begleitete mich schöner Sonnenschein.

 

Gegen 13:00 Uhr Schneefall und ab 15:00 Uhr dann Whiteout. Überlegte das Zelt aufzubauen, wollte aber erst von der Anhöhe in eine leichte Senke absteigen. Die Sicht wurde kurzzeitig etwas besser und ich ging weiter. An einem vereisten Abhang kam ich zu Fall die Pulka schob von hinten. Konnte mich nicht gleich aus dieser miesen Situation befreien, lag da eine Weile, stemmte mich mit aller Gewalt hoch. Das klappe und ich konnte meinen Weg durch das weiße Nichts fortsetzen. Einen Kilometer vor dem Erreichen des Nachtlagerplatzes, gegen 16:30 Uhr, schlug ich meines mein Zelt auf sah aber nicht weiter als 2-3 Meter.

 

Keine Ahnung ob ich es am Fuße eines Berges, oder einem Abhang aufstellte. Diesen Gedanken ging ich lieber nicht weiter nach. Nach dem ich auf meinem Benzinkocher das Abendessen zubereitet hatte tobte der Sturm, mit bis zu 15 m/s los. Irgend wann weit nach 23:00 Uhr schwächte sich der Sturm sehr zu meiner Erleichterung ab. Endlich konnte ich in einen erholsamen Schlaf sinken.

 

12.02.2020 In der Hardangervidda

Am nächsten Morgen sah es draußen dann so aus.

 

Die Ausrüstung und ich hatten die erste Sturmnacht gut überstanden. Der Wetterbericht für den Mittwoch sah böse aus. Am Tag gab es immer wieder heftiger Wind und Schneefall und in der Nacht zu Donnerstag dann wieder Sturm, ab 00:00 Uhr mit 16 m/s. Deshalb entschied ich mich gegen meinen Plan und beschloss im Zelt auf Wetterbesserung zu warten. Kontrollierte noch die Sturmleinen und schichtete um das Zelt einen Schneewall auf. Aber dieser Pulverschnee konnte da auch nicht wirklich viel abhalten. Stefan fragte mich noch vor seiner Abreise, ob ich noch Ausrüstung von ihm benötigen würde. Hätte ich mal ja gesagt und seine Schneesäge mitgenommen, denn mit der hätte ich eine richtige Schneemauer, aus tieferen Schneeschichten, errichten können. Bevor es dann richtig rund ging kochte ich mir noch eine Thermoskanne Tee.

 

Prompt legte gegen 16:30 Uhr der Sturm schon los und begann mit 14 m/s. Das war ein lautes Geknatter, wenn der Wind, seitlich von der hinteren Seite, auf den Zeltstoff traf. Die Schneekristalle hörten sich auf der Zelthaut an, als ob jemand Schleifpapier darüber zieht. Insgesamt war das ein beklemmendes Gefühl, zu wissen, wenn das Zelt dem Sturm nicht standhielte… gäbe es da draußen keinen Schutz. So hoffte ich und vertraute auf mein gutes Winterzelt, das Exped Polaris, ein windstabiles Winterzelt (so stand es im Verkaufsprospekt).

 

 

Für den absolut lebensbedrohlichen Notfall hätte ich meinen Satelliten Notfallsender zum Einsatz gebracht. Aber bei dem Sturm wäre kein Hubschrauber gestartet und eine Bergung mit dem Skidoo hätte mehrere Stunden gedauert, alles keine Optionen. Ungefähr 20:00 Uhr packte ich alle im Zelt befindliche Ausrüstung zusammen und verstaute sie in Pack- und Rucksäcken. Zog mir alle möglichen Sachen an, auch Schuhe und Gaiter, um für den Ernstfall das Zelt verlassen zu können. Legte mir auch Reparatur Utensilien bereit, Reparaturhülse, Messer und Panzertape. Die absolute Horrorvorstellung wäre der Bruch eines Gestänge Elementes und einen dadurch hervorgerufen Schlitz in der Zelthaut. Innerhalb weniger Sekunden wäre das Zelt innen voller Schnee. Daher wachte ich, mit meiner Stirnlampe auf dem Kopf, über die gesamte Zeit. Kontrollierte die Festigkeit der Gestänge und stemmte mich mit den Packsäcken, von innen gegen die Zeltwand, versuchte damit dem Wind keinen Angriffspunkt zu bieten. Der Sturm legte keine Pausen ein, immer wieder diese Sturmspitzen mit 16 Metern pro Sekunde. Trotzdem wurde ich nicht hektisch, oder panisch, aber in meinem Kopf spielte ich alle möglichen Optionen durch. Auch die Möglichkeit mit der bereitliegen Lawinenschaufel eine Mulde in den Schnee zu graben, dann eine Plane darüber, um sich notdürftig vor dem Schneesturm zu schützen. Trotz allem rationalen Denken begleitete mich auch eine natürliche Angst vor diesen Szenarien. Bis zum Morgen, glaube es war gegen 04:00 Uhr wütete der Schneesturm.

Endlich Entwarnung!!! Erleichterung und Müdigkeit stellten sich jetzt ein.

13.02.2020 Hardangervidda der Weg zurück
10,4 Kilometer, Anstiege gesamt 155 m

Gegen 7:30 Uhr bereitete ich mein Frühstück zu, räumte alle Sachen für die Tagestour zusammen. Der Wind wehte nur noch schwach als ich vor das Zelt trat.

 

Hier schaufelte ich die Pulka und das Zelt frei, verstaute meine Pack-und Rucksäcke in der Pulka. Baute das Zelt ab und verstaute es auch in der Pulka. Nun ging es endlich los, nachdem ich meine Ski und Stöcke angelegt, das Zuggeschirr mit der Pulka verbunden hatte.

 

Der Tag begann hell und freundlich die Sicht war gut. Das war ein herrliches Gefühl, so hatte ich mir das gewünscht. Auf halbem Weg sah ich in der Ferne einen Wintertourer, ein Norweger mit Pulka. Wow, der hat hier auch dem Sturm getrotzt. Wir sprachen kurz, er ging von Haugastøl nach Finse. Das war genau Stefans und meine geplante Strecke nur mit Start in Finse.

 

An diesem Tag kam ich gut vorran hatte mit mehr Schnee unter Ski und Pulka gerechnet. Die Sonne schien und ich konnte mich an diesem besonderen Licht in der wilden, rauhen Winterlandschaft nicht satt sehen. Immer wieder hielt ich inne, staunte und bannte die Bilder auf meinen Kamera Chip.

 

An diesem Tage wäre ich gern noch weiter in Richtung Finse gegangen, für den Abend gab es aber wieder eine Windwarnung und ich wollte meine Schutzengel nicht noch einmal bemühen.

Mit etwas mehr Sturmerfahrung im Gepäck kam ich am Parkplatz an. Die Siedlung und auch die Hütte HALNE FJELLSTOVA am See Halnefjorden waren noch immer unbewohnt.

 

Dort verpackte ich meine Ausrüstung im Auto und fuhr nach Geilo, Eine Nacht verbrachte noch im Hotel, um am nächsten Morgen dann die Heimreise anzutreten. Gegen 23:15 Uhr traf dann wieder im heimatlichen Mecklenburg ein.